Südtirol und seine „barrierefreien“ Wanderwege

Inhaltsverzeichnis

Natur pur

mehr Tourismus in Südtirol und dessen Auswirkungen auf Wanderwege

Die Aussicht genießen, frische Luft atmen, der Natur nahe und verbunden zu sein – das sind alles Dinge, die man als Einheimischer wie auch als Tourist in den Südtiroler Alpen genießen kann.

Kein Wunder also, dass es immer mehr Menschen in die Alpenregion zieht.

So erfreuen sich Aktivitäten wie Wandern, Ski fahren oder auch Radfahren bzw. Mountainbiken immer größerer Beliebtheit.
Das Viele diesen Sportarten nachgehen möchten und das nicht nur Zuhause, können wir sehr gut verstehen, denn Wandern, Radfahren und Skifahren sind auch unsere großen Leidenschaften. Leider kann man als Rollstuhlfahrer diesen Aktivitäten nur eingeschränkt nachgehen.

Gerade für Mountainbiker und Downhill-Fahrer gibt es in Südtirol eine Menge interessanter Strecken und viele Gemeinden werben mit einem hohen Tourismus-Budget jährlich für mehr Bike-Tourismus und mehr Übernachtungen in Südtirol.

Das Informationsmaterial über Freizeitaktivitäten für Rollstuhlfahrer in Südtirol hat sich zwar dank der Arbeit des Onlineportals „Südtirol für alle“ schon gemausert, dennoch gibt es noch immer viel zu wenig Informationen zu barrierefreien Sportaktivitäten. So wundert es nicht, dass bei Überlegungen zur Planung von touristischen Aktivitäten Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen Behinderungen wenig Beachtung finden. 

Wie sonst kommt man auf die Idee, über die wir in diesem Artikel nun berichten wollen.

Mit Erstaunen haben wir im Sommer 2019 die Nachrichten der Tageszeitung Alto Adige sowie der Südtirol-News gelesen, in denen darüber berichtet wird, dass Wanderwege sowie Trails die oftmals ausgiebig von Mountainbikern befahren wurden, nun für die Bevölkerung auf Rädern gesperrt werden sollten. Auch die neue Südtiroler Tageszeitung berichtete darüber.

So wurden Wanderwege, die für Radfahrer unzugänglich sein sollen, mit Baumstämmen und Sand- bzw. Erdhügeln blockiert sowie teilweise mit losem Gestrüpp oder Baumwurzeln ausgestattet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Biker diese Strecken, die diese trotz Verbot befahren haben, nicht mehr nutzen. Diese Entscheidung wurde den Berichten der beiden Nachrichtenportale zufolge von den Gemeindeverwaltungen zusammen mit den Forstbehörden getroffen.

Natürlich ist es von unserer Seite her nachvollziehbar, dass Mountainbiker so dazu bewegt werden sollen offizielle Radwege bzw. ausgewiesene Pisten/Trails für das Downhill-Fahren zu benutzen, dennoch ist das Ganze etwas kurzsichtig gedacht.

Denn nicht nur Mountainbiker sind auf Rädern unterwegs!

Zudem führen solche Aktionen oftmals zu „Nachahmern“. So wurden einige Zeit später neben den Barrieren im Montiggler Wald auch auf der Plose Zäune angebracht, durch die verhindert werden soll, dass Mountainbiker diese Strecken fahren können.  Zumindest nach einem Bericht der Südtirol-News. Natürlich ist es ein einfaches die Tore zu öffnen, dennoch wird sich hier eine abschreckende Wirkung erhofft.

Hindernisse

Wie soll ein Rollstuhlfahrer derartige Hindernisse überwinden?

Wanderwege zu finden, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind, ist so oder so schon kein leichtes Unterfangen. Oftmals sind die Wege nicht extra gekennzeichnet, Reiseführer gibt es so gut wie keine und Informationen über steile Passagen oder Treppenstufen auf den Wanderwegen sind auch nur selten bis gar nicht zu finden.

Auch das Erfragen der Informationen bei Einheimischen bringt einen oftmals nicht weiter, denn diese haben meist Sorge eine Falschauskunft zu geben und für eventuell später auftretenden Probleme wie beispielsweise einen Unfall verantwortlich zu sein.
Manchmal ist es ganz hilfreich, bei der eigenen Recherche nach gut befahrbaren Wanderwegen auf die Erkenntnisse der Mountainbiker zurückzugreifen, oder aber auch auf die Erfahrungen von Eltern mit Kinderwagen.

Ist es tatsächlich so gedacht, dass auch diese die Wege nicht mehr „Wandern“ sollen?

Im Fall im Montiggler Wald sind diese Barrieren vor allem in den Bereichen angebracht worden, die als sogenannte Ruhezonen gelten und das Schutzgebiet vor weiteren Schäden der Flora und Fauna bewahren sollen. So handelt es sich hier nicht um offizielle Wanderwege, sondern eher um Trampelpfade die im Laufe der Zeit entstanden sind und vielen Wanderern und eben auch Mountainbikern suggeriert haben, dass es sich hier um ‚gängige Wanderwege oder Abkürzungen‘ handelt. Durch die angebrachten Sperren soll dem jetzt Einhalt geboten werden und die Tier- und Pflanzenwelt sowie das Landschaftsbild insgesamt geschützt werden – so berichteten damals die Zeitungen.
All das können wir natürlich nachvollziehen und sind damit vollkommen einverstanden.

Freifahrtschein?

Es ist allerdings darauf zu achten, dass dies kein ‚Freifahrtsschein‘ zur Absperrung von Wegen oder Wanderwegen wird. Leider ist aber genau das im Anschluss schnell der Fall. So ist es für uns nicht verständlich, wieso Wanderwege mit Toren und Zäunen abgesperrt werden, um Mountainbiker fernzuhalten wie es einem Bericht der Tageszeitung Alto Adige auf der Plose passiert ist.

Das sich Besitzer von Grundstücken auf denen offizielle Wanderwege verlaufen gegen rechtliche Maßnahmen von verunglückten Personen schützen wollen ist natürlich nachvollziehbar. Dennoch kann und sollte dies nicht dazu führen, dass die Wege mit meter-hohen Zäunen und Toren abgesperrt werden und somit auch von Rollstuhlfahrern nicht mehr benutzt werden können. Vielmehr ist es hier wichtig rechtliche Rahmenbedingungen für die Besitzer zu schaffen, so dass diese nur in bestimmten, grob-fahrlässigen Fällen belangt werden können.

Ein weiterer Beweggrund, der häufig genannt wird, ist, dass sich Fußgänger auf einem Wanderweg vor den „Raudis auf Rädern“ in Sicherheit bringen müssen. Das mag an der ein oder anderen Stelle sicherlich richtig sein, aber ich glaube nicht, dass sich ein Fußgänger auf einem Wanderweg vor einem Rollstuhlfahrer in Sicherheit bringen muss, indem er beispielsweise die Böschung hinaufspringt oder in den Montiggler See springt.

Auch die Räder eines Rollstuhls – ok, das sind oftmals Mountainbike-Profile – werden wohl kaum die hiesige Fauna zerstören. Dafür ist wohl eher der anhaltende Bauboom verantwortlich.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Die Berichte über die Veränderungen in Südtirol sind schon etwas älter und damals haben wir uns lediglich darüber gewundert.

Nun sind wir aber durch einen Social Media Beitrag darauf aufmerksam geworden, dass dieses Vorgehen scheinbar nicht nur in Südtirol interessant für die Gemeindeverwaltungen ist. Zwar sind es in anderen Ländern nicht unbedingt Radfahrer, sondern eher Mofafahrer oder sonstige geräderte Fahrzeuge mit einer gewissen Geschwindigkeit – nichtsdestotrotz scheint auch hier niemand an Rollstuhlfahrer zu denken.

So wird momentan in Neuseeland eine Neuerung scharf diskutiert. Hier wurden – ebenfalls durch nationale Gremien – sogenannte Cycle Trail Gates angebracht (siehe Foto). Diese sollen analog den Aktionen in Südtirol verhindern, dass z. B. Radfahrer bestimmte Routen befahren, bzw. etwas ausgebremst werden. In Neuseeland geht es dabei vor allem auch um motorisierte Fahrzeuge. Ein ‚Gate‘ ist sicher eine Möglichkeit Menschen davon abzuhalten, etwas Bestimmtes zu tun, sicher aber nicht die klügste und nachhaltigste.

Nach erheblichen Protesten der verschiedenen Behindertenverbände wurden manche dieser Gates wieder abmontiert, andere mit einem Schlüssel ausgestattet, mit welchen man die Barriere öffnen kann. Dieser ist jeweils bei der entsprechenden Gemeinde zu holen.
Wieso einfach wenn es auch kompliziert geht.

Es ist schon so viel für Barrierefreiheit getan worden und immer und überall trifft man fleißige Menschen, die auch weiterhin die Fahne hochhalten. Doch dies sind Rückschläge, die man nur ungern hinnehmen möchte. Ist es zu viel verlangt, vor solchen Aktionen über die Konsequenzen nachzudenken und dabei nicht nur die Personen zu berücksichtigen, die auch auf anderen Wegen diese Barrieren umgehen können? Ein Radfahrer hebt doch in Zweifelsfall einfach sein Rad hoch und hebt es drüber weg – zumindest ein sportlicher Radfahrer.

Aber wie soll das jemand im Elektrorollstuhl tun?

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten

Manchmal müssen Wanderwege aus verschiedenen Gründen gesperrt werden. Die meisten Wanderwege – gerade in Südtirol – werden aber gut in Schuss gehalten und vor allem auch offensiv beworben. Es ist also kein Wunder, dass immer mehr Touristen hier herkommen und die Alpen genießen wollen. Doch zu den Touristen gehören auch die Rollstuhlfahrer. Und gerade hier ist meistens nur eine Kleinigkeit an Wanderwegen zu ändern, um diese für verschiedene Arten von Rollstühlen zugänglich zu machen. So sind genug Wege vorhanden, die super ausgebaut sind und nur eine einzige kleine Engstelle oder vielleicht 3 Treppenstufen auf der gesamten Strecke aufweisen. Doch genau diese sind der Grund, weswegen diese Wege für Rollstuhlfahrer dann nicht mehr zugänglich sind. Es wäre sehr wünschenswert, wenn nicht so viel Augenmerk auf das Verbieten oder Sperren von Wanderwegen für bestimmte Nutzer gelegt wird, sondern vielmehr darauf für die unterschiedlichen Besucher das richtige Angebot zu schaffen bzw. kleine Anpassungen vorzunehmen um das vorhandene Angebot weiteren Nutzergruppen zur Verfügung stellen zu können.

Was dabei natürlich auf gar keinen Fall leiden darf, ist die Natur. Denn ohne die wunderschöne Natur in Südtirol und auch andernorts haben wir gar keinen Grund mehr, unsere Sportarten im Freien auszuüben. Eine geeignete Reihenfolge bei der Planung des Tourismus und der Freizeitangebote ist daher unbedingt zu ermitteln. Für uns steht fest, die Natur steht dabei an erster Stelle. Danach sollte zielgruppenorientiert vorgegangen werden und bitte: 

Vergesst nicht einfach eine Zielgruppe, nur weil diese klein ist!

Sabrina

Was denkst Du?

Ist es Dir auch schon mal so ergangen? Du willst eine tolle Wanderung machen oder die neu gebaute Brücke über einen Fluss in der Nähe ausprobieren und gleich am Anfang befindet sich ein unerklärliches Hindernis? Ein Hindernis, das eigentlich gar nicht für Dich gedacht war, sondern um einen unerwünschten Gast fernzuhalten? Fühlt man sich dann nicht auch automatisch unerwünscht?

Uns ist es so ergangen und das oft. Unsere Antwort darauf ist u.a. www.wheelchair-tours.org.

Mit unserem Angebot versuchen wir, Südtirol noch ein bisschen barrierefreier zu machen – und sei es nur dadurch, dass wir Informationsmaterialien über Wanderwege ohne Baumstämme, Erdhügel, meterhohe Zäune oder Treppenstufen zur Verfügung stellen.

Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist.

Jean Paul
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